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‹Vielen würde es fehlen›
Angeschossen: In der Christusfigur (hier rechter Oberschenkel-/Kniebereich, finden sich Dutzende Einschusslöcher von
Schrotkugeln. (Bild: Bilder: z. Vfg.)
Das Wegkreuz bei der Bahnunterführung im Lüchinger Riet sieht wieder fast aus wie neu.
Mauro Ferrari hat es diesen Sommer restauriert.
MAX TINNER
LUECHINGEN. Wo die Lüchinger Rietstrasse die Bahnlinie unterquert, steht in Richtung
Marbach – unter ausladenden Bäumen – ein altes Wegkreuz. Es zeugt von einer Zeit, in der der
Glaube der Rheintaler Bevölkerung grössere Bedeutung hatte und erlebtes Glück noch eher dem
Herrgott unterm Wegkreuz verdankt wurde als heute. Und doch: Als Restaurator Mauro Ferrari
das Christusbildnis diesen Sommer vom Kreuz holte, um es im Auftrag der Katholischen
Kirchgemeinde Lüchingen zu restaurieren, fühlten sich einzelne Spaziergänger, die beim Bänkli
neben dem Wegkreuz rasteten, vor den Kopf gestossen. Ob der Jesus denn ja wieder dran
käme, hätten sie gemeint. Ferrari konnte sie beruhigen.
Strassenstaub und Vogeldreck
In den 20 Jahren seit der letzten Restaurierung hatten Wind und Wetter dem Wegkreuz arg
zugesetzt. Dass nicht wenige das schmale Strässchen als Schleichweg von der Altstätter
Kriessernstrasse nach Marbach benutzen, kommt dem Zeugnis früherer Volksfrömmigkeit
ebenfalls nicht gerade zugute: Mauro Ferrari musste festgesetzten Strassenstaub ebenso vom
Bildnis entfernen wie Vogelkot, der sich in die Farbe gefressen hat. ‹Es wäre nicht schlecht,
solche im Freien stehenden Figuren alle zwei, drei Jahre fachmännisch reinigen zu lassen›,
empfiehlt er, ‹aber eben: dazu fehlt den Kirchgemeinden meist das Geld.›
Auf Jesus geschossen
Auch Farbabplatzungen galt es auszubessern und die Vergoldungen mit neuem Blattgold wieder
herzustellen. Und Löcher mussten ausgebessert werden – sogar Einschusslöcher: Irgendjemand
hat vor Jahren einmal mit Schrot auf die Christusfigur geschossen.
Ganz fehlte die INRI-Tafel – die lateinische Abkürzung auf der Kreuztafel bedeutet ‹Jesus von
Nazaret, König der Juden› und stellt quasi das Vergehen dar, mit dem Pontius Pilatus die
Kreuzigung rechtfertigte. Die am Lüchinger Wegkreuz verlorengegangene Tafel hat der
Holzbildhauer Robert Hangartner anhand von Fotos, die Mauro Ferrari vor Jahren gemacht hat,
rekonstruiert. Ferrari hat die Tafel dann nach derselben Vorlage bemalt.
Nun sieht das Wegkreuz wieder fast aus wie neu. Und auch als Mauro Ferrari die Christusfigur
wieder an ihren angestammten Platz am Wegkreuz zurückbrachte, sassen Spaziergänger auf
dem Bänkli. Sie lobten Ferrari für die gelungene Restauration. Dies freut ihn nicht nur, es zeigt
ihm auch, dass wohl nicht wenige das Wegkreuz vermissen würden, stünde es eines Tages nicht
mehr da. Die frühere Volksfrömmigkeit ist offenbar doch noch nicht ganz verloren.
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